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INDIEKID19 ON AIR

DEAD CITY RADIO auf Radio Orange- der Link zum Nachhören: https://cba.fro.at/380458

Blogger didn’t killed the Radio Star!

Es war einer dieser kleinen Zufälle im Leben, der sich vor einiger Zeit bei der Vinyl Börse in der Ottakringer Brauerei zugetragen hatte. Während ich gleichermaßen erstaunt und beeindruckt wie heillos überfordert dem schier unendlich großen Angebot an Platten gegenüberstehe (das mit dem Kauf eines äußerst stylischen neuen Plattenspielers sowie zwei sehr coolen Bootlegs der Stone Roses und meiner geliebten Smiths am Ende des Tages doch noch ein Happy End finden sollte), spricht mich plötzlich René von der Seite an. Rein zufällig hatten wir uns aus ganz anderen Gründen (wegen einer Sportehrung in NÖ) kurz davor am Telefon kennen gelernt. Er erkennt mich, meinem Ex-Profi-Fußballer-Bonus sei (wieder einmal) Dank.

Rasch schwenkt unser Gesprächsthema zur Musik und seine intelligenten Aussagen darüber wecken mein Interesse und meine Anerkennung. Unsere gemeinsame Begeisterung für die Musik ist unschwer herauszufinden. Er spielt sogar in einer Band- wie geil! Unvermittelt fragt er mich, ob ich in seine Radiosendung bei „Radio Orange“ kommen möchte. Der Wiener Privat-Sender ist mir ein Begriff. Erinnere mich auch vage an einen Gastbesuch vor vielen vielen Jahren. Nicht nur deshalb gebe ich enthusiastisch und ohne viel zu überlegen meine Zusage. Ich freue mich darauf. Meine große Leidenschaft mit anderen zu teilen, macht mir doch so viel Spaß und ist immer schön.

Erste Gedanken zu den vielen möglichen Songs, die ich spielen könnte, spielen möchte, überkommen mich unverzüglich, Hand in Hand mit dem leichten Unbehagen nicht die richtige Auswahl zu treffen. Spannend. Wird bestimmt cool.

Wochen später vereinbaren wir einen Termin und erhalte ich erste Infos zum Ablauf via Mail. Ein Satz davon leuchtet sofort in meinen Augen und brennt sich in meine Hirnwindungen. „10 bis 15 Songs kannst du mitbringen, wenn wir viel plaudern gehen sich realistischerweise vermutlich nur 8 bis 10 in der geplanten Stunde aus“. OMG! Das schaff ich nie! Wie soll denn das gehen? Hab mir ja schon bei meinen Top 30 Lieblingsbands so schwer getan, bin einige Jahre dabei gealtert. Mir schießt sofort so viel in den Sinn, dass ich erste Ansätze schnell wieder ad acta legen muss, um nicht gleich komplett verrückt zu werden. Das wird ganz schwer. Ich brauch einen Plan und beruhige mich mit diesem zeitbringenden Vorsatz.

Der Tag rückt näher und die Gedanken zur Auswahl werden lauter. Selbst wenn es mir gelingt mich auf eine Band festzulegen, ist dann die Songauswahl ein nicht minder schwieriges Unterfangen. Ein Wahnsinn. Es gibt so viel gute Musik. Ein Song von den Smiths, die mich und so viele andere, auch Bands, geprägt haben und immer noch beeinflussen. Ein Muss. Und den weiß ich auch schon fix. Dazu „Everyday is like Sunday“ von Morrissey oder doch die geniale Hommage an den ultra-coolen James Dean „Suedehead“. Moment mal, denke ich, Smiths UND Morrissey? Da ist ja schon mehr als ein Fünftel verbraucht.

Ich entscheide mich für eine nach meinem Empfinden natürlich extrem restriktive, und trotzdem zu umfangreiche Vorauswahl und schiebe dann nach und nach die „Must-haves“ in einen Top-Ten-Ordner. Der füllt sich natürlich schneller als erhofft, aber steht dann auch schon bald fest. Geht nicht anders. No way. Die weitere Reihung ab Position 11 ist etwas einfacher, fällt aber wohl unter die Rubrik „vergebene Liebesmüh‘“. Dieser kleine Stick, auf den locker ganze Plattensammlungen passen würden, wird mich begleiten und bedeutet für mich, ein kleines Stück Glückseligkeit (auch wenn man es ihm nicht ansieht).

Das Studio ist unterteilt in verschiedene kleine Räumlichkeiten/ Bereichen, aus deren leichter Unaufgeräumtheit und Chaos man sofort ablesen kann, dass sie von unterschiedlichen Personen und Einrichtungen stark frequentiert werden. (Radio-)Kunst eben. René führt mich in sein kleines Reich. Die rote Lampe vorm Eingang erregt meine Aufmerksamkeit und Freude. Sieht lässig aus. Auch die schallgedämpfte Türe, deren tatsächliche Wirkung ich nicht abschätzen kann. Wie erwartet stehen da ein paar PCs und Bildschirme. Und natürlich das Schönste und Wichtigste in einem Studio, klassische Mikrofone. An einem langen, leicht beweglichen Hebelarm, mit Metallspinne (man möge mir die dilettantische, unfachmännische Beschreibung verzeihen) zum elastischen Schwingen und Heranziehen sowie mit dunklem Schaumstoff geschützten großen Kopf. Klassisch. So wie es sich kleine Buben vorstellen und große gerade genießen. Mir gefällt das. Das hat Stil und ich fühle mich wohl. Bin sehr locker und entspannt.

Hab mir auch wenig Gedanken im Vorfeld gemacht. Einfach der uneingeschränkten Vorfreude freien Lauf gelassen. Richtig so. Im Laufe der Jahre habe ich rausgefunden, je weniger ich mir den Kopf zerbreche was ich sagen werde, desto besser trete ich in der Öffentlichkeit auf. Und das werde ich jetzt wieder tun, auch wenn ich weder sehen kann noch je erfahren werde, wie groß diese tatsächlich ist. Egal, ich bin jetzt hier und ich werde wie immer alles geben was ich habe. Das hat mich stets ausgezeichnet und weiter gebracht in meinem bisherigen Leben.

Wir gehen noch mal den Ablauf und die Playlist durch und müssen achten uns nicht in unseren Ausführungen (über die Musik und Bands) zu verlieren und auf die Sendung zu vergessen. Die wir in einem Stück aufzeichnen werden. Auweia, das heißt nicht zu viel versprechen, nicht nuscheln und ja nicht zu schnell oder auch zu viel reden. Wir wollen ja auch Musik hören. So fein sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. René kennt sich gut aus und gibt sehr interessante Statements. Auch der kleine Soundcheck ist nun durch. Die riesigen Kopfhörer nehm‘ ich nur fürs PR Foto für die Ankündigung in social media. Es irritiert mich sonst meine Stimme selber zu hören. Die Fotos sehen nicht schlecht aus. Ich fühle mich wie ein kleiner Rockstar. Das ist er wieder der Junge im Manne. Das große Indie Kid.

Ein kurzes gegenseitiges Nicken und wir legen los. Ein Tastendruck und das hypnotisierende Gitarren-Riff von „Mr. Brightside“ ertönt schon aus den Studio Lautsprechern. Kurzerhand hatte ich mich entschieden mit diesem Kracher zu starten. Eine Indie-Hymne für die Ewigkeit, mit der sowohl ich persönlich, als auch viele andere in meinem Umfeld auch mich verbinden. Mein Song. Ein perfekter Einstieg. Ich erzähle ein bisschen was es damit auf sich hat, um gleich darauf die nächste Lieblingsband vorzustellen, die heuer ihr 40-jähriges Jubiläum feiert und mich fast ebenso lang begleitet, verwöhnt, tröstet und berührt. Ich merke, dass mir schon bei The Cure die Superlativen meiner Lobeshymnen ausgehen und sich daher wiederholen. Shit. Wortschatz wo bist du, wenn ich dich brauche?

Wir sprechen über mich, meine Liebe zur Musik und ich darf die Werbetrommel für diesen, meinen Blog rühren. Auch dass ich sehr viel Spaß als DJ habe, wenn man mich ab und zu an die turntables ranlässt. Ich hab mit all dem so eine riesige Freude. Ich merke mittlerweile, was ich zwar vermutlich längst wusste, dass ich nicht nur sehr gerne über Musik schreibe sondern anscheinend auch spreche. Muss mich immer wieder selber ein bißchen drosseln, damit wir auch zu ein paar Fragen und natürlich zu den Liedern kommen. Die Editors sind dran! „Sugar“! Mann, wie ich diese Gruppe huldige, diese intensive mich stets in ihren Bann ziehende Atmosphäre und Stimmung. Diese Melodien, diese Stimme, dieser Sänger. Es folgt „Day I die“ von den sehr verehrten National. Großartige Band. Super Show unlängst beim Festival in Linz. Tolle Nummer. Diese Gitarre. Geht durch und durch. Wollte auch unbedingt was Aktuelles dabei haben. Sonst heißts wieder: „typisch old school“. Was ich natürlich als Kompliment annehme (aber so nicht zutrifft, kann auch anders).

Ich fühl' mich längst verbunden mit meinen Zuhörern- ich stell‘s mir einfach vor und es fühlt sich sehr gut an. Es läuft ausgezeichnet. Dann Kasabian, auch schon arriviert, die ich seit der ersten Stunde schätze und verfolge.  Mit einer super Live Version von ihrer ersten Single „L.S.F. (lost souls forever)“. Hammer diese Nummer, Hammer diese Stimmung. Wir reden natürlich auch ein bisschen über Fußball und die Verbindung zur Musik. Dazu passen diese Jungs aus Leicester City, sensationell Meister in der vorvorigen Saison, perfekt. Genauso gut hätten an dieser Stelle auch Muse, Interpol oder die etwas abgestürzten Bloc Party ihre feine Musik zum Besten geben können. Mir kommen zwischendurch immer wieder Bands, die ich gerne gespielt hätte. Gebt mir eine Show über 2 Tage und selbst das wird vielleicht eng, denk ich mir nicht ganz ernsthaft und leicht amüsiert.

René gesteht die Stone Roses erwartet zu haben. Ich eigentlich auch, aber es ist sich einfach nicht ausgegangen. Dafür hätte ich ein naturwissenschaftliches Grundgesetz aushebeln und aus einer Stunde 120 Minuten machen müssen. „I wanna be adored“, „ She bangs the drums“ oder gar „Sally Cinnamon“ hätt ich liebend gern gebracht und selber gehört. Ebenso wie Depeche Mode oder Großmeister Paul Weller, von dem ich sicher einen seiner alten, grenzgenialen Jam Songs (z.B. „Man in the Corner Shop“) auf den (virtuellen Platten-)Teller serviert hätte.

Auch Suede wär‘ cool gewesen. Hätte der „Welt“ gerne nochmal gezeigt, wie genial und doch etwas unterschätzt und im Schatten anderer, Brett Anderson und Co unterwegs waren. Verliere kurz den Interview Faden, da ich ans letzte Wien Konzert nach ihrer Reunion denke. War ein unglaublich geiler Abend. Auch eine neue Platte soll in der Pipeline stecken. Juhuuu! Keine Zeit mehr dabei zu verweilen, denn die Sprache fällt schon wieder auf den nächsten Fixpunkt in der Playlist. Ich fange an zu schwärmen über die Smiths, was sie mir bedeuten, wie lange schon, wie sehr ich Morrissey verehre, er ist der Größte, kündige ausschweifend das kommende Lied an, „take me out tonite, because I want to see people and I want to see lights“. Zum legendären Doppeldecker Bus komm ich gar nicht mehr. Denn es ertönen schon die ersten Klänge dieser außerirdischen Nummer und mir kribbelt es im ganzen Körper. René schaut mich erstaunt an und meint, das wäre jetzt mal eine perfekte Anmoderation gewesen. Ich freu mich über seine anerkennenden Worte und genieße diese schöne Melodie und Morrisseys herzzerreißenden und gleichzeitig -erwärmenden leicht morbiden Gesang. Ich werde dieses Lied immer lieben, so lange Töne in mir schwingen können.

Die Zeit schreitet zügig voran. Wie befürchtet werden sich selbst die 10 hart ausgewählten Songs nicht ausgehen. Ich streiche schon mal gedanklich „Geraldine“ von Glasvegas. Ich mag diese Band sehr. Sie übt eine besondere Anziehung auf mich aus, die selbst Gleichgesinnte in meinem Umfeld nicht immer teilen. Macht nichts. Beides. Zum Glück schaffen wir noch Placebo, die mir und vielen Freunden in vergangenen Jahren schon so viel schöne Stunden und gemeinsame Erlebnisse bereitet haben. Die sehnsüchtige Melancholie klopft schon wieder an. Gleich noch mehr bei den sehr starken Smashing Pumpkins. „1979“ wollte ich unbedingt unterbringen, da mich dieser Song in meiner schönsten und aufregendsten Zeit meiner Fußballkarriere (Europacup-Finale und Meister mit Rapid sowie Legionärszeit in Italiens Serie A Mitte der 90er) stets begleitet hat. Schon wieder Gänsehaut mit einem Shot berührender Nostalgie.

Die Stunde ist schon fast um. Nicht mal für die Britpop-Ära-Könige von Oasis, Blur oder Pulp haben wir noch Zeit. Oder zwei andere Indie Hits für die Ewigkeit „Love will tear us apart“ von Joy Division oder „Where is my mind?“ von den Pixies. Schon gar nicht für eine der vielen schönen Nummern von The XX. Sowie „Tompkins Square Park“ von den Mumfords, mit dem ich einen extrem schönen Abend und sehr lieben Menschen verbinde. Die verträumten Cigarettes after Sex, die beste Neuentdeckung in letzter Zeit. Und Johnny Marr’s brandaktuelle grandiose Platte. Ich verzweifle innerlich bei diesen Überlegungen. Es gibt echt so viel. Ich möchte mehr Zeit und mehr geben.

Schließlich muss ich unbedingt noch über die österreichische Indie Szene reden, ihr meinen Respekt zollen. Wir haben da echt eine Menge ganz toller Bands und ganz großartiger Musik. Das kann nicht oft genug gesagt werden. Dafür muss noch Zeit sein. Untermalt von ein paar Tönen der starken Farewell Dear Ghost, mit ihren durch viel Pathos aufgeladenen, eindringlichen, wunderschönen und dichten Gitarren Melodien. War mir ein echtes Anliegen.

Das war’s dann schon wieder. Wenn‘s Freude macht, vergeht die Zeit wie im Flug. René ist zufrieden und meint es sei gut geworden. Ein bisschen schneiden wird er noch müssen. Bin schon sehr gespannt auf die Sendung.

Als ich das Studio verlasse merke ich nun doch die etwas von Adrenalin getränkte Freude und Erregung. Hat echt Spaß gemacht. Ein alter und ewiger Wunsch poppt auf und beginnt wieder in mir zu lodern. Ich würde so gerne etwas für das Radio machen. Regelmäßig. Durchgängig. Dauerhaft. Liebe Menschen in meinem Umfeld meinen sogar, dass ich eine geeignete und beruhigende Stimme hätte, die gut rüberkommt. Eine eigene Sendung. Das wär mein Traum. Und ich hätte sofort viele gute Ideen dazu, wie immer. So wie einst der Nachtfalke alias Stürmer-Legende Hans Krankl auf Ö3. Allerdings passe ich wohl besser zum kleinen (großartigen) Bruder (FM4), um mal unbescheiden zu sein. Ok, so einen Status und Bekanntheitsgrad wie der Goleador hab ich leider nicht vorzuweisen, aber einen gewissen Mehrwert könnte ich schon bieten. Sowie viel Herzblut, Leidenschaft und Begeisterung, eine Menge zu erzählen und ich wäre auf jeden Fall authentisch. Der Traum lebt. Mit Auftritten dieser Art mehr denn je.

Nochmals der Link zum Nachhören der Sendung, falls jemand auch den Ton zu diesen Zeilen möchte: https://cba.fro.at/380458

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