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DIE ÖSTERREICHISCHE (FUSSBALL-) SEELE

Wir sind immer dabei, auch wenn wir nicht dabei sind!

Schon viele Menschen, und weitaus gescheitere Menschen als ich, haben sich bereits darin versucht der österreichischen Seele und dem daraus resultierenden Verhalten im Zusammenhang mit dem Sport bzw. Fußball (sowohl aktiv als auch passiv) erläuternd auf dem Grund zu gehen.

Namhafte Wissenschaftler, Psychologen, Soziologen, und was es da noch so alles gibt an hochintelligenten Berufsbildern oder auch Journalisten und Autoren, haben es sich zur Aufgabe gemacht sich einigen augenscheinlichen Phänomenen zu nähern. Nun ist dazu anzumerken, dass sich einige Merkmale wohl nicht so großartig von anderen Ländern und wahnsinnig begeisterten oder zu Tode betrübten Fußballfans dieser Welt unterscheiden mögen. Hierbei jedoch schon einige dieser typisch österreichischen Eigenheiten und feinen Nuancen auftreten, die es dann vor allem im Zusammenspiel interessant und zuweilen speziell, um nicht zu sagen etwas eigenartig machen. Natürlich nicht immer und überall anzutreffen bzw. so einfach pauschal über unser kleines, aber so schönes Land drüber zu stülpen. Ein gewisses Ost-West Gefälle in Sachen Verhalten und Einstellung, lässt sich da wohl kaum weg diskutieren. Macht aber nix, ich konzentriere und verlasse mich dabei einfach auf meine direkten Wahrnehmungen und Erlebnisse.

Was bewegt uns eigentlich so im Sport, was löst dieser in uns aus? Wie ist unser Verhalten, dass gerade auch bei Großereignissen, wie aktuell mit einer Fußball Weltmeisterschaft, dann noch mehr zu Tage tritt. Selbst wenn unser eigenes Team nicht aktiv dabei sein darf, was die im Folgenden beschrieben Auswirkungen klarerweise noch massiv verstärken würde. Ins fast Unerträgliche steigern würde.

Raunzen und Jammern
Der Sport und natürlich auch der Fußball beinhaltet und erzeugt eine gehörige Portion Leidenschaft und viele Emotionen, lebt auch davon. Und man kann sich ja immer herrlich über alles aufregen. Da sind wir sicher vorn dabei im Kampf um den Weltmeistertitel. Weltmeister der „Jammerer und Raunzer“. Das können wir gut. Können uns wenige das Wasser reichen. Und zum Raunzen findet man (wir) immer etwas. Nicht nur wegen dem Wetter oder Sonstigem im Leben. Den Pessimismus haben wir etwas gepachtet, um diesen dann doch wieder mit viel Schmäh zu relativieren. Auch das gelingt uns wunderbar, es ist ja dann am Ende doch nicht alles so schlimm. Und eben nicht nur wenn‘s um unsere österreichischen Kicker geht.

Fürchterlich aufregen, aufpudeln oder keppeln, wie es unter anderem bei uns heißt (vermutlich nur ein böses Gerücht, dass es für diese einer unserer Lieblingsbeschäftigungen hierzulande, die meisten Synonyme gibt). Über alles Mögliche. Die Spiele sind zu langweilig, zu wenig Tempo drin, zu viele Fehlpässe, zu wenig Torchancen, was der Schiri schon wieder pfeift, die Einen sind zu defensiv, die Anderen agieren wiederum zu naiv, zu wenig Tore fallen, die schießen immer drüber, die wieder nur vorbei, der Tormann kann ja gar nix, manche Teams sind wiederum einfach zu schwach, haben dort doch nichts verloren, warum befindet sich der Topstar in so schlechter Form, und kommen Andere überhaupt nicht zum Einsatz, warum wählt der Trainer diese völlig verfehlte Taktik und Aufstellung, die eine Gruppe so extrem schwer und die andere wieder so superleicht...

Bei all der oft auch nicht unberechtigten Kritik, darf man jedoch nicht außer Acht lassen, dass viele Hauptakteure bereits eine lange, schwere Saison in den Beinen haben, ihnen ein (erhofft) langes Turnier mit einigen Spielen in wenigen Tagen bevorsteht und auch ein immens großer Druck auf ihnen lastet. Schließlich bedeutet ein vorzeitiges Ausscheiden in einigen Ländern die große Gefahr einer veritablen nationalen Katastrophe und öffentlicher Hinrichtung. Also Sudern (und Besserwissen) können wir Österreicher beim Fußball ohne Ende, sind aber im Handumdrehen dann wieder extrem begeistert. Es reicht ein geniales Tor, ein super Spiel, ein spannender lustiger Fußball-Tag oder -Abend und alles ist wieder gut und die Welt in Ordnung. Oder ein österreichischer Sieg, der derzeit leider nicht zu erzielen ist...

Von einem Extrem ins Andere
Hier kommt das schon mal vor, dass die Stimmung von (übertrieben) ganz hoch bis (ebenso übertrieben) ganz tief kippt in kürzester Zeit. Sich überschwängliche Euphorie und tiefste Depression die Klinke unvermittelt in die Hand drücken. Ganz große Gegensätze. Ein rasantes Wellental. Fähnchen beginnen sich zu drehen bei Aufkommen der ersten richtungsändernden Lüftchen. Vor allem die vielen selbst ernannten Zwischendurch-, um nicht zu sagen Schönwetter-Experten und -Fans. Wenn Belgien oder England so großartig in dieses Turnier starten, haben‘s eh alle gewusst, dass die so gut sind (bei umgekehrten negativen Verlauf, hätten sie es sicher genauso gewusst) und sind natürlich auf einmal Feuer und Flamme für diese Teams. Ist eh ok. Man(n und noch mehr Frau) muss zu einer Mannschaft (bzw. auch mehreren) halten. Das ist ja viel lustiger.

Die Kriterien für diese Entscheidung sind natürlich mannigfaltig und reichen von der Verehrung eines Landes, Teams oder einzelner begnadeter Fußballspieler bis hin zur Farbe des Trikots, bevorzugtem Urlaubsland, dem Auftreten der Fans und im ärgsten Falle (aber nicht immer der einzige Grund, um fußballinteressierte Damen nicht zu diskreditieren) in der Attraktivität einzelner Spieler oder eben sehr oft mal der kurzfristige Erfolg. Da ist jeder frei in seiner Entscheidung und Auswahl. Der hartgesottene und sehr leidensfähige echte Fußballfan beäugt dies naturgemäß etwas kritisch und hält zu seinen Teams, egal was passiert, in guten wie in schlechten Zeiten, bis der Tod...nein das geht zu weit, oder manchmal sogar nicht...

Fremdfreuende, fröhliche Geselligkeit
Begeisterungsfähig können wir schon auch sein, wohlgemerkt am meisten wenn‘s um etwas geht. Wenn Entscheidungen anstehen. Wir freuen uns auch gerne mit. Mit den ausgelassenen, bunten, fröhlichen Fans, von denen wir uns auch heimlich so gern ein Scheibe abschneiden würden. Und die Geselligkeit wohnt uns sowieso schon seit eh und je inne. WM-schaun in Gesellschaft ist natürlich das Beste. Egal ob mit Familie, Freunden, in den eigenen vier Wänden (oder Zäunen) oder beim immer beliebteren „Public Viewing“. Da kommen die Leute zusammen, auch jene die Fußball für gewöhnlich eher peripher interessiert. Aber eine WM bzw. „Public Viewing“ ist längst zu einem gesellschaftlichen Ereignis geworden, bei dem man dabei sein muss und das großen Spaß bereitet. Ein besonderes Live Erlebnis, das zumindest teilweise und ausreichend Stadion- Atmosphäre und Stimmung an einen netten Ort liefert, der viele anzieht und so zur entspannten Partyzone wird...

Hass-Liebe (zu unserem Bundesnachbarn)
Und da ist sie natürlich wieder unsere so ganz eigene Beziehung zu unserem nördlichen Lieblings-Grenzland, mit dem uns vieles verbindet und mindestens genauso vieles nicht. Schnell ist sie da die Schadenfreude, Häme und der Spott, wenn es mal bei Deutschland nicht läuft (und so schlecht wie bei dieser WM waren sie wirklich schon lange Zeit nicht mehr). Social Media geht über mit originellen, witzigen, halblustigen, auch weniger geschmackvollen Einträgen zum überraschenden und frühen Scheitern des (noch) amtierenden Weltmeisters. Das Telefon kommt kaum zum durchschnaufen und spielt die lustigsten (Benachrichtigungs-) Melodien. Zum Teil schon übertrieben. Wie eh und je.

So viele von uns fiebern mit dem Gegner der Deutschen mit, egal welche Herkunft und Sympathiewerte dieser aufweist. Und wer ihnen doch die Stange hält, der tut‘s meist zurückhaltend und verborgen im Geheimen. Zugegeben, es gab schon weit unsympathischere Generationen (Matthäus, Effenberg und Co. lassen grüßen) als die aktuelle und zuletzt. Zudem überzeugte der deutsche Fußball  in den letzten Jahren und bis vor kurzem durch sehr erfrischendes Auftreten und viel Qualität, sowohl auf Klub als auch auf Teamebene. Ließen sich selbst Eingefleischte dabei ertappen, wenn schon nicht uneingeschränkte und offene Verehrung, aber doch ein recht hohes Maß an Anerkennung und Achtung für auch verdiente Triumphe der deutschen Überlegenheit zu zeigen.

Aber dann passieren wieder Dinge wie nach dem letzten WM Triumph mit Argentinien (gegen die sie ja im Finale doch auch wieder einmal mehr als glücklich agierten, um sich dann über sie lustig zu machen) oder zuletzt gegen Schweden mit angeblichen Schmähgesten nach dem last-minute-Sieg. Oder wenn im Vorfeld nur mehr über die leichte Vorrunden-Gruppe (so kann man sich irren im Fußball!) bzw. fast ausschließlich über den Weg ins WM-Finale diskutiert wird. Das sind immer wieder Geringschätzungen und Respektlosigkeiten gegenüber den Gegnern, wie es sonst kaum jemand zu Wege bringt. Zudem dieses omnipräsente Selbstvertrauen sowie übertrieben, überlegene Demonstration von Stärke, Kraft und Wissen. Grundsätzlich ihre großen Assets und Basis am Weg zu Erfolgen, aber kommt nicht immer so sympathisch, eher meist selbstherrlich und präpotent.

Natürlich ist da viel Provokation und Reaktion auf beiden Seiten (und wir sind nicht die Einzigen, die das so empfinden). Ein ewiger Kreislauf. Aber unser Mitleid hält sich in Grenzen. Was sollen wir sagen? So ist der Sport. Sie waren jetzt ohnehin ziemlich lange ganz oben und sind zudem auch nur Menschen. Und zum Glück nicht unbesiegbar...

(Neidvoller) Seitenblick auf unsere Nachbarn
Einen speziellen Bezug haben wir ebenso zu einigen anderen Nationen in unsere Nähe, da viele Menschen ihrer Herkunft bei uns leben. Die Serben haben sich tapfer geschlagen, konnten aber wie erwartet diese schwere Gruppe nicht schaffen. Noch positiver die Kroaten, die sich in der Vorrunde bärenstark präsentiert und deren zahlreiche österreichischen Anhänger mit kroatischen Blut, Herzen und Wurzeln so auch unsere Straßen zwischendurch zur Partyzone erklärt haben. Ein heißer Geheimtipp, wie es scheint. Oder ein anderer kleiner Nachbar, die starke Schweiz, mit denen wir uns längst nicht mehr nur an den Finanzmärkten bzw. im Wintersport messen müssen. Spannend, wie weit die Reise bei den beiden noch geht...

Mitgefühl, Mitleid und ein Faible für den Außenseiter
Neugierig sind wir stets auf die Exoten, hoffen gleichzeitig auf das eine oder andere Überraschungsteam, das die großen Nationen so richtig ärgern kann. Hegen Sympathien und fiebern mit bei deren Auftritten. Leiden auch mit bei schlimmen Niederlagen und argen Debakeln, wie es zum Beispiel dem armen Panama widerfahren ist (aber wie sie sich bei 0-6 über den Ehrentreffer gefreut haben, als hätten sie gerade den Titel fixiert, ist schon wieder eine der schönsten Momente der WM bisher gewesen).
Sogar dem Gastgeber gönnen wir die Gruppenphase zu überstehen (was uns ja leider bei der Heim EM versagt geblieben ist), unabhängig des Status, den diese Nation für uns darstellt. Der Underdog, der sich tapfer und wacker hält, genießt immer einen ganz besonderen Platz im Herzen der Fußballfans. Oft schon erlebt. Beispiele gibt’s mehr als genug...

Lieblingsteams, sentimentale und echte Favoriten
Jeder hat so seine eigenen Favoriten aus unterschiedlichsten Gründen, manchmal schon von Kindheitstagen an (ich hatte in meiner Jugend zum Beispiel eine große Liebe zu Belgien, da mir die Dressen so gefielen und die Spieler wie Gerets, Ceulemans, Scifo und deren damals leidenschaftlicher und unbekümmerter Spielstil, jetzt sind es immer und ewig vor allem die Italiener, die ich grad so schmerzlich vermisse und die Engländer, denen ich so sehr wieder mal einen Erfolg wünschen würde). Großteils natürlich die starken Europäer, da hier aufgrund des omnipräsenten Klubfußballs ein starker Bezug gegeben ist sowie die oftmals begeisternden Südamerikaner. Nicht nur wegen dem genialen und zauberhaften Fußball, sondern auch einer gewissen Art von Lebensgefühl mit viel Tanz, Musik, Sonne, Sand, Meer, schöne Natur...usw.

Meist eben die großen Fußballnationen, denen wir die Daumen halten und den Sieg gönnen. Die wir dann gerne mal wieder ganz oben sehen würden. Der Traum dann leider meist schon früh wie Seifenblasen zerplatzt und man auf den zweit- und drittplatzierten im ganz persönlichen Ranking umschwenken muss, um möglicherweise gleich wieder enttäuscht zu werden. Den begehrten Weltmeisterpokal kann halt nur ein Team in die Höhe stemmen und das auch nur alle 4 Jahre. Durststrecken lassen grüßen (siehe England) und trotzdem jedes Mal aufs Neue hoffen...

Vorfreude auf die Finalspiele
Jetzt wird’s richtig spannend. Vorsicht und Zurückhaltung auslösende Gruppenarithmetik war einmal. Siegen oder Fliegen. Die Entscheidungsspiele stehen am Plan und da sind echt sehr feine Paarungen dabei. Wie so oft lautet das Duell Europa gegen Süd- (und Mittel-) Amerika. Heißes südländisches Temperament und Rhythmen gegen europäische Präzisionsarbeit und Struktur. Und immer noch der Traum, dass Brit-Pop weiterhin die Musik macht und bei dieser WM die erste Geige spielt.

Sonst noch sehr auffällig und interessant, dass die anderen Kontinente nur mehr mit Japan als einzigen Asiaten vertreten sind und nicht ein afrikanisches Team über die Gruppenphase hinaus gekommen ist. Mal sehen, ob diese WM noch zu einer Europameisterschaft wird?!

 

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