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FUSSBALL UND MUSIK - FOOTBALL'S COMING HOME

Es musste ja einmal kommen und ist eigentlich eh schon längst fällig...also bringen wir es hinter uns...

Keine Sorge es handelt sich hierbei nicht schon wieder um eine meiner nostalgischen Zeitreisen, zumindest nicht jene zu der legendären Radiosendung „Sport und Musik“. Als wir früher gespannt der mal mehr oder wieder weniger gelungenen Playlist im Radio am Samstag Nachmittag lauschten, in der Erwartung das Lied würde möglichst oft unterbrochen werden mit dem aufgeregten Aufschrei „Achtung, Achtung, hier ist das Hanappi Stadion“ (oder sonstwo), mit der noch größeren Hoffnung der wohlklingende Satz „Tor für Rapid“ sollte darauf folgen. Aber geil war das schon, wenn ich so zurück denke an das Steinzeitalter, noch weit entfernt von Internet und hilfreichen Apps, um über den Lieblingsklub informiert zu bleiben...

Also die folgenden Zeilen drehen sich generell um meine Gedanken, Erfahrungen und Erlebnisse betreffend dieser beiden wichtigen Themen meines Lebens und deren Schnittmengen, natürlich wieder bezogen auf meine persönlichen Vorlieben. Nicht dass jetzt Fußballer einen komplett anderen Bezug zu Musik hätten oder diese über- bzw. unterdurchschnittlich hören und sich damit befassen. Ganz und gar nicht. Höchstens eines ist vielleicht anzumerken. Als Fußballer ist man viel auf Reisen und unterwegs (Spiele, Trainingslager, Turniere) und auch immer wieder am Ausdauertraining (v.a. Laufen). Und da ist Musik ein willkommener Zeitvertreib, Begleiter und Unterstützer. Bei mir war das wenig überraschend ganz extrem, ganz wichtig.

Vom Geschmack her lassen sich da auch wohl keine bestimmten Strömungen und Tendenzen ausmachen. Mein ehemaliger und langjähriger Zimmerpartner (mit dem man dann doch relativ viel Zeit auf engem Raum verbringt und natürlich nenne ich keinen Namen) hatte einen ausgeprägten Faible für Schlagermusik, was dann doch nicht ganz mit meinem Geschmack zusammen gegangen ist. Großes Problem war das trotzdem keines, man ist ja schließlich tolerant und flexibel und es gibt zum Glück Kopfhörer. Die eine oder andere spaßige Diskussion war aber unvermeidlich („wer ist denn dieser schräge Typ“- war sein Statement über Verve Sänger Richard Ashcroft beim mega genialen Video zu „Bittersweet Symphony“, dass ich einst nach dessen Erscheinen permanent im Hotel-TV sehen wollte, unbedingt musste).

Was meinen geliebten Indie Sektor angeht, so muss man sich da schon etwas auf die Suche begeben, um Gemeinsames und Verbindendes zu finden. Im deutschsprachigen Raum fällt mir sofort der ehemalige Bayern München Starkicker Mehmet Scholl ein, der nicht nur auch geografisch bedingt eine tiefe Freundschaft mit den sympathischen und großartigen Sportfreunden Stiller hegt (auch große Fußball- und v.a. Bayern Fans, denen ich einmal sogar ein österreichisches Nationaltrikot von mir schenken durfte, was mich immer noch recht stolz macht), sondern auch mit exquisiten Geschmack für Indie Musik aufgefallen und dieser Leidenschaft ebenso als DJ nachgegangen ist. Und mein ehemaliger, überaus netter Legionärskollege in Italiens Serie A, der unserer Generation nicht unbekannte Didi Beiersdorfer, erzählte mir mal von Ex-HSV Tormann Richie Golz, der anscheinend ein ganz großer Smiths Fan war und Morrissey sehr verehrte, ebenso wie ich.

In Österreich verhält es sich da ähnlich und ist dieses Genre eher weniger verbreitet unter den heimischen Aktiven oder Ehemaligen. Letztlich ist aber auch festzuhalten, dass nicht immer der Musikgeschmack eines jeden Spielers gleich auszumachen ist. Einer der vielen FM4 Freunde Martin Blumenau (mein Pendant, wenn ich das sagen darf, da er als langjähriger großer Musikfachmann am liebsten über Fußball schreibt, was sich bei mir ja genau umgekehrt verhält), erwähnte mal mir gegenüber Ex-Kollegen Martin Stranzl (früher deutsche Bundesliga u.a. 1860 München, Stuttgart, Borussia Mönchen Gladbach, Österr. Nationalteam) und bezeichnete seine Musikvorlieben als sehr gut, durchaus etwas härter, aber sehr gut. Genau das waren seine Worte. Alles natürlich relativ in unseren subjektiven Augen (bzw. Ohren).

Recht witzig auch eine Geschichte und Erinnerung aus meiner kurzen, aber sehr spannenden und besonderen Zeit im österreichischen Fußball Nationalteam, als wir in Glasgow gegen Schottland in der so erfolgreichen Qualifikation für die 1998er WM spielten (ein super Erlebnis, unglaubliche Stimmung im Stadion, leider unsere einzige Niederlage damals in den Gruppenspielen und ich nur auf der Ersatzbank, aber echt cool). Wir fuhren mit dem lokalen Mannschafts-Bus vom Abschlusstraining vom Stadion zurück ins Quartier und aus den alten Lautsprechern dröhnte wohl der normale lokale Radiosender (also so auf die Art das Ö3 von Schottland) mit einer guten Nummer nach der anderen aus dem Äther. Ich saß in der 7. Reihe und freute mich wie ein kleines Kind, genoss die Musik und dachte mir nur: wow, das ist mein Land!…als ich plötzlich vom legendären, wie spaßigen Toni P. (Polster) aufgeschreckt und aus den Tagträumen gerissen wurde, der aus der letzten Reihe nach vorne brüllte „was ist denn das für ein Sch…(umgangssprachlicher Wiener Dialekt für Flatulenz)? Kann man bitte was Gscheites spielen“…
Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen und war heilfroh, dass ihn einerseits der Busfahrer logischerweise nicht verstehen konnte und sich auch der damalige Teamchef Herbert Prohaska vernünftigerweise keineswegs auf eine Diskussion mit dem, selbst für in der englischen Sprache Geübte, kaum verständlichen schottischen Dialekt einlassen wollte...

Auch Ex-Austrianer Manuel Ortlechner wäre zu erwähnen,  der immer wieder auf guten Konzerten anzutreffen ist und nicht gleich verwundert oder ahnungslos das Gesicht verzieht, wenn man eine aktuelle Indie Band oder neue Platte erwähnt. Ebenso Ex-Mitspieler Didi Kühbauer und mein ehemaliger Trainer Fußball- Ikone Hans Krankl (gleich zweimal in meiner Karriere), mit denen ich auch immer wieder „meine“ Musik ansprechen konnte, wenn auch beide ihre große Passion dafür ziemlich breit angelegt und gestreut haben, aber sich schon ganz gut auskennen.

Ganz anders verhält es sich natürlich wieder mal im Mutterland der Musik und des Fußballs, auf der großen Insel im Nordwesten Europas- in good old Engerland, Great Britain, cool Britannia. Da gibt es doch noch mehr spannendere Geschichten und Wechsel-Beziehungen. Die Liebe der beiden berühmt berüchtigten Gallagher Brüder von Oasis für ihren Heimat Klub Manchester City, den sie zwischendurch in schweren Zeiten sogar mit einem Sponsoring bedachten, ist kein wirklich großes Geheimnis mehr. Und dass ich einmal im sehr exklusiven VIP Bereich des derzeit so starken Klubs in den edlen Holztischen eingravierte Statements von berühmten Musikern dieser Stadt (u.a. Gitarren-Hero Johnny Marr, der glühender United Fan ist, aber wie es oftmals passiert seinen Sohn an die "Blues" verlor) entdeckte, hat mich sehr fasziniert und begeistert.

Ebenso bin ich überzeugt, dass Leicester City letztes Jahr als absoluter Außenseiter und Underdog auch deshalb sensationell englischer Meister wurde, weil die heimische Band Kasabian, sowohl Team als auch Heimpublikum mit ihren energischen und treibenden Songs auf jedes Spiel einstimmten und so richtig scharf machten. Nicht einmal hab ich Christian Fuchs, unseren Österreich Export und Beitrag zu dieser Riesen Sensation in der letzten Spielsaison, um diesen Erfolg und auch wegen der emotionalen Verbindung und Kontakt zu dieser für mich sehr besonderen Band beneidet.

Vielen geläufig ist auch die ultimative Fußball-Hymne „Three Lions“, die von der Britpop Band den Lightning Seeds gemeinsam mit den beiden englischen Comedians Frank Skinner und David Baddiel, anlässlich der Heim EM 1996 in England aufgenommen wurde. Aufgrund des eingängigen Ohwurms „it’s coming home, it’s coming home, football’s coming home“ und der leidenschaftlichen, fast schon verzweifelten Aufarbeitung der englischen Fußballgeschichte bei Großereignissen, mit vielen unerfüllten Träumen, lang vergangenen Triumphen und viel mehr bitteren Stunden, aber ungebrochenen Stolz, Hoffnung und Hingabe für die 3 Löwen auf der Brust (signifikant für das englische Fußballwappen). "Three lions on the shirt- Jules Remet (der WM Pokal) still gleaming- 30 years of hurt- never stopped me dreaming"- genial, Emotion pur. Davon gab es zur WM 2 Jahre später mit unveränderten Sing-a-long, aber aktualisiertem Text ("we still believe"), sogar nochmals eine Fortsetzung. Die wenigsten hierzulande wissen vermutlich, dass diese Band Anfang der 90er Jahren ganz wunderbaren „Sugar-coated-Pop“ mit einigen großartigen Hits geschaffen haben („The Life of Riley“, „Pure“ oder „What if...“ und weitere feine Perlen, die ich stets und ewig gerne hören werde).

Ebenso zweckentfremdet, oder besser gesagt ausgeliehen, wurde das geniale „Don‘t look back in Anger“ von Oasis, ebenso für vorangeführtes Großereignis, das von tausenden erwartungsfrohen englischen Fußballfans enthusiastisch im Stadion gesungen wurde, dass einem der kalte Schauer über den Rücken lief. Selbst vor dem Fernseher. Für den großen (sportlichen) Wurf (im Gegensatz zu dieser erfolgreichen Single) hat es aber auch damals leider nicht gereicht (doch recht unglücklich).

Stadionmusik bzw. Fußball- oder Vereinshymnen, dessen Rhythmen, Melodien oder Sing-a-Longs, die für die Atmosphäre und Stimmung in den Stadien vor, während, oder nach den Partien oder zum Sieges- bzw. Torjubel genutzt und zur bewegenden Tradition wurden, hatten immer schon ihren Ursprung in der Pop Musik. Oftmals sind es einfache, kommerzielle Hits zum Mitgröhlen oder eigene Kompositionen, die ihren Zweck erfüllen, aber musikalischen nicht immer den höchsten Anspruch hegen und ganz ernst zu nehmen sind. Aber es gibt auch andere Beispiele und Ausnahmen davon.

Allen voran das legendäre „You‘ll never walk alone“ von Gerry & the Pacemakers, das v.a. in Liverpool regelmäßig für kollektive Gänsehaut sorgt, auch vielerorts kopiert wird, jedoch bei weitem nicht an den Ursprungsort heranreichen kann. Auch viele andere Beispiele, von „Go west“ der Pet Shop Boys bis hin zu den White Stripes („Seven Nation Army“), die für mächtige Stimmung auf den Fußballplätzen sorgen. Und dass im „Theatre of Dreams“ im altehrwürdigen, unglaublich stimmungsvollen Old Trafford Stadion von Man United immer noch die schon längst verlorenen, aber nie vergessenen Söhne, die grandiosen alten Stone Roses, gespielt werden, finde ich sehr originell, stilvoll und authentisch. Und für mich persönlich sehr aufregend, da ich einen intensiven Bezug zu dieser Band habe.

Fußballer werden dann marketingtechnisch in diesem Bereich auch immer wieder ganz gerne eingesetzt oder fühlen sich, meist weniger durchschlagend erfolgreich, selber berufen dazu, was v.a. in der Vergangenheit die eine oder andere spaßigen, manchmal auch kuriosen Nummern entstehen hat lassen. Auch das engl. Nationalteam nutzte gelegentlich seine (musikalischen und sportlichen) Nationalhelden, um Werbung in eigener Sache bzw. ein bevorstehendes Großereignis zu betreiben. Ich erinnere mich dabei an „World in Motion“ von und mit New Order, dass dieser ganz großartigen britischen Band aber auch nicht wirklich gerecht wurde.

Selber durfte ich bei der Rapid Hymne mitwirken, die heute immer noch im Stadion gespielt und lauthals mitgesungen wird. Unsere alte Version aus den 90er Jahren wird anscheinend immer noch bevorzugt und ist schon lässig da dabei gewesen zu sein. Ein geglückter, emotionaler Vereins- und Stadion Song, aber freilich auch kein Indie Kracher...

Und wenn ich von Fußballvereinen und Musik spreche und wieder nach Österreich zurückkehre, dann kommen mir nach meinem Heimverein Rapid sofort die beiden Wiener Kult-Vereine Vienna und Sportclub in den Sinn. Zwei Wiener Traditionsklub, die sportlich sehr glorreiche Zeiten schon lange hinter sich haben, leider regelmäßig ums Überleben kämpfen müssen, aber sich durch extrem faire, friedliche, originelle, kreative, treue, urige, lustige und sympathische Fans auszeichnen, und die auch genau diese oft von mir beschriebene Lieblingsmusik abseits des Mainstreams bevorzugen.

Vor vielen Jahren bei einem Freundschaftsspiel auf dem legendären, leider schon sehr baufälligen Wiener Sportclub Platz, bekamen wir beim Aufwärmen aktuelle und feinste Indie Musik zur Einstimmung zu hören, was mich damals nicht nur sehr positiv überraschte, sondern auch schwer begeistert und überaus motiviert hat. Gleiches gilt für die genialen Vienna Fans, die viele talentierte Musiker und auch Musikbegeisterte in ihren Reihen zu ihren Fans zählen dürfen. Die formidable Wiener Band „Freud“, rund um Sänger Axel alias „DJ Excel“, hat sogar einen eigenen Song für diesen Kultklub, aktuell äußerst bedauerlich in schweren Nöten, aufgenommen und im Heimstadion auf der nicht weniger legendären Hohen Warte präsentiert.

Diese freundschaftliche und „musikalisch-emotionale“ Verbindung zu den Fans beider Klubs führte soweit, dass ich vor vielen Jahren nach einer Einladung zum wunderbaren kleinen Wiener Derby Vienna gegen Sportclub, liebevoll auch „Derby of Love“ genannt, bei "after-game-party" meine DJ  Premiere im bekannten Wiener Underground Lokal B72 geben durfte und mega Spaß dabei hatte. Daraus entwickelte sich eine regelrechte Liebesbeziehung zum genialen Club 2, der regelmäßig an gleichem Ort über die Bühne ging und damals zu den lässigsten Indie Partys zählte. Durfte dort die beiden von mir sehr geschätzten und in der Szene sehr umtriebigen Initiatoren DJ Miss Behave und DJ Corner auch mehrmals an den Turntables unterstützen. Sehr feine Erinnerungen, die leider auch schon längst in die Rubrik Nostalgie fallen.

Und doch ist es ein ums andere Mal sehr schön, wenn ich auch aufgrund meiner Sport Vergangenheit (und Gegenwart), da oder dort mal auflegen darf oder auf meinen unzähligen Konzertbesuchen hin und wieder von Gleichgesinnten erkannt und mit Anerkennung für diesen Musikgeschmack bedacht werde. Einmal bekam ich während meiner aktiven Zeit sogar einen „Fan-Brief“ (ja, damals wurden noch Briefe geschrieben), worin der nette Absender meinte er findet es Klasse, dass es in Österreich einen Fußballer gibt, dessen Lieblingslied „There is a light that never goes out“ ist. Ich hatte diesen alten sehr berührenden Smiths Songs frecherweise bei einem persönlichen Steckbrief angegeben, wohlwissend dass viele wohl nicht viel damit anfangen würden können. Geschmäcker sind halt eben verschieden. Im Fußball wie in der Musik, aber eines verbindet...

...You’ll never walk alone...weder da noch dort...

...und Indie-Pop is never dead (so wie auch viele Vereine einfach unkaputtbar sind)…

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