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OASIS - GALLAGHER VERSUS GALLAGHER - DAS ETWAS ANDERE MANCHESTER DERBY

Zwei Mancunians mit neuen Alben am Start

 

Als es mich unlängst anlässlich eines Auslandsaufenthaltes zufällig in eine Karaoke-Bar wehte und ich mich plötzlich umringt von einer Horde blutjunger EngländerInnen widerfand, die leidenschaftlich und mehr als innbrünstig „Champagne Supernova“ von Oasis mitzusingen versuchte…

 

…da wurde mir wieder bewusst, was dies für eine großartige Nummer ist, erschaffen von einer grandiosen Band, die uns einst sehr viel Freude bereitete. Die zwei Brüder, die mit ihrer Band aus der Working Class, aus dem grauen und industriellen, aber für Musik stets sehr fruchtbaren Manchester, Anfang der 90er plötzlich empor stiegen.

 

Was hatte uns das mega-coole, raue Debut damals begeistert, um mit dem legendären Nachfolger („What’s the Story) Morning Glory“ einen noch größeren Höhepunkt folgen zu lassen und einen imperialen Siegeszug zu starten. An das formidable Niveau der spannungsgeladenen ersten beiden Platten konnte die Band leider nie mehr heran kommen, sich jedoch bis heute noch eine große, treue Fan-Schar aufbauen, was Verkaufszahlen und ebenso legendäre Konzerte in deren Historie belegen. Nicht zuletzt auch wegen des Charismas, dieser ungleichen Brüder, des eher ruhigeren, aber nicht minder kantigen, kreativen Songschreibers und Mastermind Noel Gallagher auf der einen und des lauten, frechen, oft ungehobelten, aber genialen Sängers Liam Gallagher auf der anderen Seite.

 

Sie bezeichneten sich manchmal übertrieben vorlaut, aber deswegen nicht weniger selbstüberzeugt, als beste Band der Welt, nach Eigendefinition sogar größer als die Beatles, die sie trotzdem oder gerade deswegen immer sehr verehrten und bis heute gnadenlos und unverfroren „bestehlen“. Erfrischend war das. Ecken und Kanten. Größenwahn. Skandale. Großkotzige Ansagen. Aber auch wunderbarer Indie Rock n’Roll. Geile Gitarren Melodien. Großartige Songs. Hymnen für die Ewigkeit. Und zwei verrückte Brüder, die mit ihrer unangepassten und ungestümen Art das Business ordentlich durchmischten, dadurch auch sehr belebten.

 

Streit war natürlich vorprogrammiert in diesem Spiel, irgendwann auf der Tagesordnung und führte etztlich 2009 zum Split der Band, mit dem Ausstieg Noel Gallaghers nach 7 Studio Alben. Öffentlich verlautbarte Schuldzuweisungen, Anschuldigungen oder gar untergriffige Beleidigungen ließen in der Folge einen tiefen Riss zwischen den beiden Musikern entstehen.

 

Und die mancherorts vielleicht erhoffte Milchmädchen Rechnung: 2x Gallagher = doppeltes (Oasis-) Vergnügen, ging leider auch nicht wirklich auf.

 

Liam schnappte sich einige Oasis Musiker und versuchte sich weniger erfolgreich mit neuer Band namens „Beady Eye“, die er später wieder auflöste und solo weitermachte. Noel wiederum veröffentlichte in dem Zeitraum mit seinen „High flying birds“ zwei Platten und die eine oder andere gekonnte Single. Nachhaltigen Zuspruch, gewohnte Aufmerksamkeit, Relevanz und Lorbeeren ernteten aber beide damit relativ wenig.

 

Nun wollte es der Zufall (oder auch nicht?), dass die beiden zwar nicht zeitgleich aber doch relativ zeitnah, neue und doch sehr ansprechende Platten auf den Markt warfen, die ich zum Anlass genommen habe sie einfach einmal gegeneinander antreten zu lassen.

 

Autumn in the year 2017, somewhere in Manchester, Gallagher versus Gallagher, Liam versus Noel, „As You Were“ versus „Who built the Moon?“

 

 

Songwriting

Ich hätte es nicht für möglich gehalten und Liam zugetraut, aber die vielen gelungenen, melodischen Songs auf der neuen Platte sorgen überraschenderweise dafür, dass er hier gegenüber seinem kreativen Bruder nicht den Kürzeren zieht und das Duell gleich mal offen halten kann...

Liam 1 – 1 Noel

 

Musik/ Kreativität

Während sich Liam mit seiner Band an den klassischen und simplen Erfolgsfaktoren im Rock  orientiert (dominante Gitarren und Schlagzeug), geht Noel mit weit höherer Experimentier- und Risikofreudigkeit zu Werke und verdientermaßen in Führung. Seine Platte ist vielseitiger und bedient sich verschiedenster Stilmittel. Von psychodelischen Rock über Retro Discobeats, Synthesizer, sogar Blues Elementen, bis hin zum bewährten Indie Pop/Rock, ist da sehr viel enthalten...

Liam 1 – 2 Noel

 

Gesang/ Stimme

Dass Noel auch dieses Handwerk recht ordentlich beherrscht, wissen wir spätestens seit dem legendären „Don’t look back in Anger“. Trotzdem ist dies, mit seinem ultracoolen, stets leicht genervt wirkenden Gesang, mit den andauernd, ausnahmslos und ewig in die Länge gezogenen Vokalen, nach wie vor die Domäne und größtes Asset vom jungen Gallagher und dessen längst fälliger Ausgleich...

Liam 2 – 2 Noel

 

Songs/ Singles

Auf „As you were“ gelingt der Mix zwischen treibenden Rock Songs und schönen Indie Balladen ausgezeichnet. Vor allem einige langsamere Nummern mit feinen Refrains und Singalongs („Paper Crown“, „I’ve all I need“, „When I am in need“) sind ganz großartig. Noels Songs sind zwar ebenso interessant, halten da aber nicht immer ganz mit, womit der kleine Bruder erstmals seine große Nase vorne hat...

Liam 3 – 2 Noel

 

Charisma/ Coolness

Ich kanns drehen und wenden wie ich will, aber der ältere Gallagher bleibt für mich trotz allem der Bessere von den Zweien. Sein Auftreten, sein Verständnis von Musik und dem Business, was er von sich gibt und in welcher Art und Weise. Das hat schon mehr Kraft und Klasse als die arroganten verbalen oder non-verbalen Rundumschläge seines Pendendants. Da kann Liam noch so lässig live performen und sich ums Mikro herumwinden mit am Rücken verschränkten Armen. Wieder Gleichstand in diesem spannenden Derby, das ja bekanntlich stets eigene Gesetze hat und nicht immer der Favorit als Sieger vom Platz gehen muss...

Liam 3 – 3 Noel

 

Rock‘n’Roll Faktor

Durch die verschiedenen, teils auch geglückten, neuen Ideen, ist bei Noel dieser Faktor leider etwas zu kurz gekommen. Außer dem stampfenden „Holy Mountain“ ist da eher weniger zu finden. Liam hingegen setzt voll auf diese Karte, sticht damit und geht erneut in Front...

Liam 4 – 3 Noel

 

Oasis Faktor

Vielleicht ist es nur die gewohnte Stimme Liams, aber alleine schon wegen seinem wunderbaren „For what it’s worth“, dem besten Oasis Song seit es Oasis nicht mehr gibt. „Wonderwall“ oder „Whatever“ part two, bin ich geneigt zu sagen, auch sehr Beatle-esque (wie die ganze Platte übrigens), erinnert stark an die besungenen immerwährenden Erdbeerfelder. Aber auch sonst klingen viele Nummern sehr stark wie in glorreichen Zeiten dieser Band. Somit scort Liam abermals und sorgt für die endgültige Entscheidung...

Liam 5 – 3 Noel

 

Ein überraschender, aber nicht unverdienter Sieg für Liam Gallagher mit seinem mehr als gelungenen Album. Respekt! Good Job! Ehre wem Ehre gebührt!

 

Und zuletzt lieferten die beiden wieder Schlagzeilen abseits der Musik. Dieses mal jedoch positiv, berichtete doch the English Press von einer klärenden Aussöhnung der beiden sturen und wilden Streithähne. Eine Neuigkeit, die sich natürlich wie ein Lauffeuer verbreitete und die Spekulationen (und Hoffnungen) auf eine Reunion von Oasis nährte.

 

Der Zauber des vergangenen Momentes lässt sich wohl kaum wiederholen. Und selten haben diese Wiedervereinigungen wirklich dauerhaft funktioniert und nachhaltige Qualität gebracht. In diesem Fall könnte daraus jedoch schon eine spannende Sache werden und die Rechnung: 1 plus 1 = ein gutes Ganzes, aufgehen.

 

We will see and anyhow won‘t look back in Anger… 

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